Künstliche Intelligenz, ethische und soziale Herausforderungen

Dieser Bericht will nicht über die Forschung in Künstlicher Intelligenz referieren.

Nicht infrage gestellt wird die Nützlichkeit der Künstlichen Intelligenz für kurzfristige Ziele im Bereich der Wissenschaft und der Wirtschaft. Aus globalerer Warte erscheinen aber die Risiken und der Preis dafür zu hoch, die Argumente für das Wagnis zu schwach. Dieser Bericht will vielmehr einen Beitrag zur Reflexion darüber leisten und die Debatte fördern.

Um was geht es ?

Im ersten Teil wird das technologische Risiko betrachtet, im zweiten Teil Auswirkungen auf das Gesellschaftliche. Zusätzliche ethische Fragen werden im dritten Teil aufgeworfen.

Hier werden also die Probleme dargelegt, die die Künstliche Intelligenz und ihre rasende Entwicklung erzeugen. Unumwundene Fragen werden gestellt. Jeder möge eigene Antworten finden.

Gewünscht wird, eine Debatte anzustoßen. Eine Debatte ist notwendig – Dringend !

 

I         Künstliche Intelligenz und technologisches Risiko

Beschleunigte technologische Entwicklung : Herrschaft und Enteignung

2014 verbreiten die Medien eine Warnung, die Stephen Hawkings und andere ausgesprochen haben :

Die Versuchung ist groß, die Vorstellung von ultra-intelligenten Maschinen zu dem Gebiet der Science-Fiction zu verschieben. Dies wäre aber ein Irrtum, vielleicht unser schwerster Irrtum […]. Vorstellen kann man sich eine Technologie, die erfindungsreicher sei, als die Finanzmärkte, kreativer als die Forscher, manipulierender als die Politiker, die im Stande sei, Waffen zu entwickeln, die wir nicht einmal mehr verstehen könnten. Währenddessen hängt die Auswirkung der Künstlichen Intelligenz von denen ab, die sie kontrollieren; langfristig hängt einfach diese Auswirkung davon ab, ob man weiß, ob man sie kontrollieren kann.

 

I 1      Wie kontrollieren ?

Ziel der Forschung über Künstliche Intelligenz ist, autonome Systeme zu entwickeln, die Aufgaben erledigen, die bisher von Menschen bewältigt wurden. In einem ersten Gedankenschritt kann man annehmen, dass diese Systeme mit dem Ziel erzeugt werden, einen Auftrag auszuführen, der von einem Menschen entworfen wurde. Anders gesagt entsprechen sie einem definiert funktionalen Entschluss. Aber seine Umsetzung setzt weitgehende Autonomie des Systems voraus. Bei fortgeschrittener Autonomie könnte theoretisch ein solches System seine Ziele aber selbst bestimmen !

So stellen sich ob ihrer Kontrolle folgende Fragen :

    • wie absichern, dass die von Menschen erteilten Befehle beständig als einzige Handlungsimpulse bleiben ?
    • wie absichern, dass die Reihenfolge der Handlungen auf dem Weg zur Erfüllung des Auftrags keine Etappe beinhaltet, die womöglich manchen Menschen schadet ?
    • wie absichern, dass sie nicht von einigen übelwollenden Menschen umprogrammiert werden ? oder Gegenstand eines technischen Fehlers werden, der sie der Kontrolle von Menschen entzieht ?

Verschärft wird das Problem dadurch, dass die Menschen in Bezug auf Denk-Geschwindigkeit, Gedächtnis, Verknüpfungen im Gehirn, Vernetzung weit unterlegen sind. Auch verfügt der Mensch nicht über die Ubiquität / gleichzeitige Allgegenwärtigkeit des Netzes.

Ist es übrigens nicht widersprüchlich, der Künstlichen Intelligenz immer mehr Autonomie zu übertragen und gleichzeitig sie vom Menschen weiterhin abhängig halten zu wollen ?

Noch einmal : Wie hindert man übelwollende Menschen daran, die aufgestellten Schranken zu überwinden ?

I 2 Hin zu einer schmerzlosen Machtübernahme ?

Das zweite Risiko besteht darin, das die Menschen der Kontrollübernahme durch die Maschinen einwilligen. Jene übergäben ihnen die Gestaltung der Wirtschaft und der Verwaltung, da sie sich nicht mehr imstande fühlten, selbst diese Komplexität zu verkraften. Es geht um eine kriechende und schmerzlose Gewaltübernahme.

Der Computer Watson, IBM-Produkt, stellt ein konkretes Entscheidungsbeispiel der Machtverschiebung auf ein „Künstliche-Intelligenz-System“ dar. Dieses Expertensystem ist imstande 200 Mio. Enzyklopädieseiten innerhalb von 3 Sek. zu lesen und daraus auf „statistische“ Lernweise Informationen zu ziehen. Auf den Markt kam er, um bei professionellen Situationen zu helfen, auf umfangreiche Daten zurückzugreifen, z.B. um die für einen Patienten bestgeeignete Therapie auszuwählen.

Wer entscheidet dann über die Therapie ? Die Verkaufsleute von IBM geben an :

Watson ist nicht berufen, den weißen Kittel anzuziehen. Am Ende entscheidet der Arzt.

Kann man sich dennoch vorstellen, die Meinung von Watson zu ignorieren, wobei Watson bekanntlich der Versiertere ist ? Am Ende wird doch Watson entscheiden. Die freie Meinungsbildung des Arztes bleibt hier eine Illusion, die der IBM-Verkäufer aufrecht erhalten möchte.

Solche Situation wird unvermeidlich immer öfter vorkommen. Bei zunehmender Numerisierung der Kommunikation kann es gut sein, dass die sogenannte „computergestützte“ Entscheidung zum normalen Verfahren auch in der Wirtschaft und auch in der Verwaltung wird.

Wird angesichts der Systeme, die so viel schneller und präziser sind als die Erfassungsgabe des Menschen, seine Entschlusskraft nicht ausgehebelt ?

 

I 3 Wohin führt das Verschmelzen von Mensch und Maschine ?

Als Antwort auf die mögliche Machtübernahme der Roboter über die Menschen prophezeien einige, dass die Menschen berufen sind, sich künstliche Eigenschaften und Leistungen anzueignen.

In der Hypothese, dass ein Mensch seine Intelligenz durch Künstliche Intelligenz anreichert -d.h. seine Fähigkeit erweitert, Situationen zu analysieren und Probleme zu lösen-, verliert er de facto seine bisherige Persönlichkeit. Er wird zum hybriden Organ. Es kommt darauf an, ob er bewusst seine Individualität erhält oder in ein weites Kontinuum von Informationsaustausch mit anderen Organismen eintritt. Bei solcher Hypothese darf das Evolutive und Dynamische solchen Prozesses nicht außer Acht gelassen werden. Falls Mensch und Maschine verschmelzen sollten, stellt sich die ironische Frage : Wer von beiden kann voraussichtlich dann die Kontrolle ausüben ?

 

II Künstliche Intelligenz und wirtschaftliche Logik

Die Robotisierung und der Einsatz der Künstlichen Intelligenz ist Teil einer Umwälzung der Produktionsweise die manchmal als 4. industrielle Revolution bezeichnet wird.

Daher die brisante Frage über die Zukunft der Arbeitsplätze.

 

II 1 Aussicht auf neue Arbeitsstellen ?

Die Numerisierung der Wirtschaft verstärkt den Bedarf an Künstlicher Intelligenz und erweitert das Tätigkeitsfeld der mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Organismen.

Also sind Numerisierung und Künstliche Intelligenz nicht trennbar.

Die liberale Wirtschaftstheorie lehrt, dass technische Innovation zwar manche Berufe obsolet macht, aber auch neuartige schafft. Dieser teils historischen teils ideologischen Überzeugung ist es zu verdanken, dass weltweit die Politik die Numerisierung fördert. Dazu 2 Beispiele der heutigen Folgen : -Im Dienstleistungsbereich entstanden neue Arbeitsplätze. Heute werden selbst diese gefährdet, da durch Robotisierung und Numerisierung Produzent und Verbraucher ohne Vermittlung in Kontakt sein können. -Apps-Programmierer werden ihre Arbeit verlieren, sobald diese von Künstlicher Intelligenz vom Typ Watson übernommen wird.

Ein weiterer ungünstiger Faktor ist das Prinzip der Monopolisierung in der numerischen Wirtschaft. Ziel : Macht durch Ausschalten der Konkurrenz und Fusionierung; Folge : Rationalisierung. Dies kann hier aber nur erwähnt werden.

Wie können unter diesen Bedingungen Arbeitsstellen geschaffen werden ?

II 2 Robotisierung und soziale Verantwortung

In seinem Essay über das Wachstum gibt uns der Wirtschaftsexperte Daniel Cohen eine Warnung :

Roboter ersetzen Arbeitsstellen. Und zwar nicht irgendwelche. Diejenigen, im Mittelfeld der Produktionskette bestehend aus Arbeitern mit mittlerer Kompetenz. Anders gesagt : den Mittelstand. Dieses Phänomen, das mit anderen das Wachstum hemmt, kann explosiv werden: ein angegriffener Mittelstand kann das politische Gleichgewicht einer Nation destabilisieren.

So wie Arbeitslosigkeit und Prekarität in den 30iger Jahren -wie Hannah Arendt es sagt- die Gesellschaftsschichten zu entwurzelten Massen hat werden lassen, wobei sie für totalitäre Strömungen empfänglich wurden, so auch könnte die Robotisierung weltweit die Grundfeste des sozialen Lebens und der politischen Gewichtungen zutiefst destabilisieren. Der Mensch passt sich der sich verändernden wirtschaftlichen Situation nur schwer an : Er muss ständig seinen eigenen wirtschaftlichen „Mehrwert“ in Frage stellen.

Die Weiterbildung ist schon eine geeignete Maßnahme, aber nicht jedem ist die Flexibilität gegeben, mehrmals einen neuen Beruf zu erlernen. Die Möglichkeiten dazu sind außerdem begrenzt. Begrenzt für den Menschen, aber nicht für die Maschinen. Also hat die Umstellung einen menschlichen Preis, und einen sozialen.

Mangels Aussicht auf einen Arbeitsplatz einerseits, andererseits durch die Konkurrenz der Künstlichen Intelligenz droht der Stellenwert der Bildung sich zu verschlechtern.

Nun aber erinnert Irina Bukova, Vorsitzende der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) als internationaler bildungsfördernden Organisation daran, dass

Alle Kinder, alle Jugendlichen und alle Erwachsenen das Wissen und die nötigen Kompetenzen erwerben sollen, um in Würde zu leben, um ihr Potential zu verwirklichen und um als verantwortliche Weltbürger ihren Anteil am Gedeihen der Gesellschaft beizusteuern. […] Die Bildung, die ein fundamentales Recht ist, ist für den Weltfrieden und die Nachhaltigkeit notwendig.

Hätte denn die Bildung in diesem Sinne noch eine Chance ? Können wir darauf vertrauen, dass die Regierenden die Schulbildung aufrechterhalten, wenn diese für die Marktwirtschaft nicht mehr notwendig ist ? Am Schluss kommen wir auf Bildung und Nachhaltigkeit zurück.

II 3 Eine Gesellschaft ohne Arbeit ? Möglich ?

Manche zögern nicht, die allgemeine Ersetzung des Menschen durch die Maschine in ihren Folgen durchzudenken. Selbstverständlich ist unerwünscht, dass nur eine Elite von dem geschöpften Reichtum profitiert. Dies einerseits, um das Aufbegehren der Benachteiligten zu vermeiden, andererseits weil die Wirtschaft wohl Konsum nötig hat. Folglich nimmt man hier und da in Aussicht, ein universelles Grundeinkommen einzurichten, das jedem einen Lebens-Mindeststandard gewährt, auch wenn er keine Arbeit findet.

Also bekommt das Volk panem und circenses (Brot und Spiele) geschenkt ?

Schwer ist es, sich eine Gesellschaft ohne Arbeit vorzustellen oder zu organisieren. Mindestens so schwer ist es, sie gedanklich zu erfassen. Oder Arbeit neu zu definieren.

Hegel hat die Arbeit als zivilisatorischen Wert an sich und unabhängig von ihrem Produkt unterstrichen. [Phänomenologie des Geistes]

Hinzu kommt die Frage, ob die menschliche Arbeit, sei sie ehrenamtlich oder entlohnt, der strengen Kontrolle oder gar Berichtigung durch Maschinen unterworfen wird. Denn sie wird weniger perfekt sein als der computergesteuerte Standart und als solche von einer Gesellschaft, die von Sicherheit und juristischer Verantwortlichkeit besessen ist, als gefährlich betrachtet.

Gewissensfreiheit und ethische Reflexion seitens der Forschung seien hier nur erwähnt : die ethische Verantwortung der Wissenschaftler wäre ein Sonderthema.

Nachteilig sind die sozialen und auch psychischen Folgen. Als einfaches Beispiel : Manches Bürgerrecht kann man jetzt schon nicht in Anspruch nehmen oder eine Arbeit suchen, ohne über Internet vernetzt zu sein. Es ist nichts Neues, dass der Einzelne sich den sozialen Zwängen anpassen muss. Neu ist aber, dass es mit einer Technik zusammenhängt, die sich immer schneller verändert.

Diese Entwicklung bewirkt eine dauernde Instabilität.

So ist die Einstellung verbreitet, dass im Falle des Dissenses zwischen dem Menschen und der von der Technik gestalteten Welt, der Mensch derjenige ist, der sich anzupassen hat. Von nun an wundert es nicht, dass manche diese Logik zu Ende führen und in Betracht ziehen, dass Körper und Gehirn des Menschen selbst zum Gegenstand der technischen Optimierung werden.

Wo bleiben die Freiheit, das Schöpferische und damit die Würde des Menschen ?

III Künstliche Intelligenz und Projekt Mensch

Die technische Innovation als Prozess, wenn er vielleicht auch blind und rein profitorientiert geworden ist, bleibt dennoch im geistigen Programm der Moderne eingeschrieben, das irgendwie aus der Renaissance stammt : der Mensch als Herrscher über die Natur.

Daher kommt die Faszination für das transhumanistische Projekt, den Menschen „aufzubessern“.

III 1 Hat uns die Wissenschaft die Herrschaft verliehen ?

Dem Menschen eigen ist, seine Herrschaft überzubewerten. Er überblickt nur den kleinsten Teil der Konsequenzen aus seinem Handeln. Er bleibt ein Zauberlehrling. Als im 20. Jh. gewisse Menschen, Stalinisten, Nazis oder Maoisten, aufgrund einer Ideologie unternahmen, den Menschen und die Gesellschaft neu zu erschaffen, mündeten alle Versuche in eine Katastrophe, deren Maß im Verhältnis zum Maß des Anspruchs steht. In der Antike gab es eine Bezeichnung für den Demiurgenhochmut des Menschen : Hybris, die Überheblichkeit.

Die Atomwaffe wurde gleich nach ihrer Fertigstellung eingesetzt, obwohl die Wissenschaftler bei weitem nicht alle Charakteristiken und Wirkungen kannten. Diese technologische Gefahr bei Kontrollverlust ist als Analogie hilfreich hinsichtlich der moralischen und sozialen Auswirkungen des vermessenen Projekts der Künstlichen Intelligenz und der Transhumanisten.

Alle technischen Errungenschaften seit dem 2. Weltkrieg haben keineswegs die Fähigkeiten der menschlichen Gesellschaften verbessert, die Folgen ihrer Handlungen zu meistern. Das Gegenteil könnte gar behauptet werden, insofern Technik verstärkt Unvorhersehbarkeit erzeugt.

Zwei Merkmale unserer (technischen) Entwicklung sollten uns zur Vorsicht ermahnen :

  • Erstens, die technische Forschung arbeitet immer mehr nach der Methode der Zufallsentdeckung (emergence) (erst erfinden, dann schauen was passiert).
  • Zweitens verstärkt die digitale Wirtschaft den Massenkonformismus.

Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Wissenschaft nicht weiß, was sie produziert, und dass sich alle Welt darauf stürzt. Welches Auffangnetz schafft sich unter diesen Umständen die menschliche Spezies ?

III 2 Kann es eine der Künstlichen Intelligenz angemessene Ethik geben ?

Der visionäre Informatiker Ray Kurzweil und die Transhumanisten mit ihm zielen auf eine utilitaristische Manipulation des Organischen und des Geistigen im Menschen. Wenn der Mensch seine biologischen Grenzen verschiebt, dann auflöst -wie ihm nicht nur die Transhumanisten versprechen- und wenn er seine Endlichkeit aufgibt, tritt er nicht in eine Welt ein, wo alle moralischen Landmarken unscharf werden und erlöschen ?

Der Philosoph Bertrand Vergely z.B. zieht die moralischen Folgen der Aufhebung des Todes :

Die Unausweichlichkeit des Todes ist einer der Garanten der Moral. Ich töte Sie nicht, weil dieses Tun unumkehrbar wäre. Außerdem -zweiter Aspekt- ist das Risiko, die Unsicherheit, das dem Leben Eigene. Folglich haben das Handeln und das Entschlussfassen nur Sinn, weil nicht alles geschrieben steht. […Wenn der Tod besiegt ist, löst sich das Fundament der Ethik, das Menschenbild, auf…] Anders gesagt, um einen Menschen zu erschaffen, der nicht stirbt, erschafft man einen, der nicht lebt.(La Croix, Nov. 2015)

Nicht minder radikal verändert sich die Beziehung zum Anderen in einer Welt, in der das Individuum durch die Möglichkeiten der Wissenschaft eine totale Autonomie vom Anderen erlangt.

Der Philosoph Jean-Michel Besnier sagt :

Die Mängel des Menschen auszumerzen, ihn „perfekt“ zu machen, macht ihn auch zum einsamen Wesen, das sich selbst genügt. Man muss verletzlich, offen sein, um sich den anderen zuzuwenden.

Sind wir Menschen heute -aus philosophischer Sicht- imstande, Regeln und Ethik der Supraintelligenz zu formulieren, wo sie uns doch davon rennt ?

Welcher Mensch wird der Mensch sein, der sich selbst von jeder biologischen und kulturellen Bedingung befreit neu erzeugt ?

Hier haben wir ein Paradoxon. Das, was das Wohl des Menschen verbessern soll und die Perfektion seiner technischen Leistungen verstärken soll, verursacht wiederum im Menschen das Gefühl seiner Minderwertigkeit.

III 3 Ist Posthumanismus ökologisch ?

Wo bleibt die Ökologie ?

Transgression / Überschreitung steckt in dem Wunsch, den Menschen zu verwandeln.

Andererseits setzt man sich dafür ein, die Biodiversität zu erhalten und ist aber gleichzeitig bereit, am Menschen zu basteln. Wie lässt sich dies vereinbaren ?

Unerkannt steht die transhumane Ideologie im Konflikt mit einer anderen Modeideologie, derjenigen der Nachhaltigkeit. Doch beruht das Prinzip der Nachhaltigkeit auf dem Erhalt der Ressourcen und der vorhanden Umwelt. Zu diesem Zweck, aus dem Vorsorgeprinzip heraus (précaution), finden viele umfangreiche Untersuchungen über Innovationen statt.

Wo bleiben die Umweltverträglichkeitsstudien über die Künstliche Intelligenz ? Wie lässt sich belegen, dass die Singularität als schwindelerregende technische Explosion, als per se ultraschnelles und unkontrollierbares Phänomen, nützlich ist und Nachhaltigkeit garantiert ? Worin lässt sich mit der Achtung vor der Umwelt vereinbaren, dass unser Planet zum gigantischen Computer wird, so wie es Ray Kurzweil prophezeit ?

Vielleicht gibt es eigentlich zweierlei ökologische Standpunkte : Standpunkt derjenigen, die aufrichtig den Planeten erhalten wollen, und derjenigen, die lediglich befürchten, dass die menschlichen Lebensbedingungen katastrophal oder mindestens sehr kostenaufwendig werden. Für die zweite Gruppe stellt die Zerstörung der Umwelt kein Problem dar, sobald der Mensch von den Folgen geschützt bleibt. Notfalls ersetzen Drohnen die vergifteten Bienen bei der Bestäubung.

Ist ein solcher Mensch jemals fähig, seinen Egoismus gegenüber der Natur zu mäßigen ?

Schluss : Résumé und Fazit der Betrachtung

Hinsichtlich des technischen Risikos

  • ist die Kontrolle illusorisch,
  • ist die Konkurrenz mit der Maschine gefährlich,
  • findet die Verschmelzung von Mensch und Maschine zu Ungunsten des Menschen statt.

Hinsichtlich der ökonomischen Logik

  • ist die Erhaltung der alten Arbeitsstellen, bzw. auch die Schaffung von neuen illusorisch,
  • Die Destabilisierung der gesellschaftlichen Struktur, insbesondere des Mittelstandes ist bereits Faktum,
  • Die Gefährdung des Selbstbildes der arbeitslosen Menschen, die keine Anerkennung erfahren, ist auch bereits Faktum (siehe dazu zusätzlich das „Konvivialistische Manifest“)

Hinsichtlich der Ethik

  • Der Mensch bleibt unbelehrbar ein Zauberlehrling. Die Wissenschaft forscht blind. Mit wachsendem Wissen und Können wächst das Maß des Risikos.
  • Der Wahn, den Tod und das Risiko zu überwinden, vernichtet das Fundament jeder Ethik. Hinwendung zum Anderen als ethische Haltung wird bedroht. Das Menschenbild wird erschüttert.
  • Die Forschung in Künstlicher Intelligenz und ihre fortschreitende Etablierung werden nicht begleitet von der Überprüfung nach den zwei anerkannten Prinzipien der Vorsorge und der Nachhaltigkeit.

Die Sackgasse der Künstlichen Intelligenz ist ganz und gar in der produktivistischen und materialistischen Logik unserer Gesellschaften verankert. Im Klartext heißt es :

Die Gefahren durch die Künstliche Intelligenz können nur durch eine Änderung der Mentalitäten vermieden werden. = Einsehen einerseits, dass der Utilitarismus der Menschheit schadet und andererseits, dass unsere Berufung, Würde und Autonomie zu wahren, dringend wiederzubeleben ist.

Wie nun auf den Lauf der Dinge einwirken ? Wie lässt sich ein wünschenswerter Zivilisationsentwurf definieren ? Was ist „sehr zu wünschen“ (nach Lessing) ?

 

Plädoyer für eine nachhaltige Entwicklung des Humanen

Eine Zivilisation, die die Menschenwürde im Zentrum erhält, ist nur aufgrund einer Mentalität vorstellbar, die mindestens auf folgenden Kriterien des Menschenbildes beruht :

  • Die Universalität der menschlichen Spezies, d.h. ihre innere Einheit über alle psychologischen und kulturellen Unterschiede hinweg anzuerkennen soll absoluter Imperativ sein, so dass jeder sich im anderen erkennen kann und so dass keine diskriminierende Forderung stattfinden kann.
  • Die Vielfältigkeit der menschlichen Spezies ist zu achten, also darf die Verteilung der Rechte unter den Menschen nicht unwiderruflich aus dem Gleichgewicht geraten, also darf es auch nicht sein, dass einige Menschen ihre Lebensweise oder gar ihre Herrschaft allen aufzwingen. Denn Konformismus lässt die menschliche Gemeinschaft verarmen und macht sie vor Krisen verwundbarer.
  • Der Mensch muss Herr über die Folgen seines Wissens und Könnens sein. Diese müssen wieder dienende Werkzeuge werden, statt beängstigende, was sie seit Hiroshima sind. Lässt man die Technik sich nach ihrer eigenen Logik entwickeln, führt sie uns in eine Welt, die vom Wettbewerbsdenken besessen ist.
  • Die menschliche Würde gilt es zu erhalten. Jeder Mensch soll auch eine echt nützliche Aufgabe in der Gemeinschaft finden können. Indem die Gesellschaft die dem menschlichen Wesen eigene Unvollkommenheit annimmt, soll sie dafür sorgen, dass jeder seinen Platz findet, statt Schranken zu errichten, die die Schwachen von dieser fundamentalen Würde ausschließen.

Eine solche Zivilisation benötigt Bildung. So dass der Mensch sich als Individuum und soziales Wesen erbauen kann, muss ihm erst einmal Bildung zuteil werden. Nicht vorrangig seine materielle, physische oder gar geistige Entwicklung / Vervollkommnung, sondern seine moralische muss Ziel seiner Zivilisierung sein.

Der Gemeinschaft der Menschen winkt eine viel glücklichere und harmonischere Zukunft, wenn wir vom Projekt der Aufklärer wie Kant oder Schiller nicht abweichen, wenn wir wählen, auf den Geist und nicht auf das Materielle, auf den Menschen und nicht auf die Maschine zu setzen.

In Ansicht dieser Herausforderungen erscheint vielleicht das Verbot der Künstlichen Intelligenz als die simpelste Art, wieder die Kontrolle über einen ausufernden Fortschritt zu gewinnen.

Wird dieses Verbot einstimmig von den Nationen beschlossen und vor allem, sich selbst -als Einzelnem- auferlegt, so erzwingt es in der Tat überall eine radikale Änderung des Standpunkts und der Mentalität und eine erneute Zentrierung auf den Menschen, den Menschen als Teil der Natur, und auf seine Würde.

(Text : AFCIA – Bearbeitung & Übersetzung : Martine Wolst)